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Interview

Mit Genuss zum Nichtraucher

Herr Fissneider, in ihrem Bestseller „Ich ging durch die Hölle“ beschreiben Sie ihr Leben mit den Drogen und ihren Weg aus der Sucht. Auch mit dem Rauchen haben Sie nach fast 40 Jahren aufgehört. Welche Gemeinsamkeiten verbinden, bzw. welche Unterschiede trennen die Sucht nach Zigaretten mit der Drogensucht?


Es gibt große Unterschiede zwischen der Tabak- und Drogensucht. Nikotin ist eine rauschlose Droge. Denn anders als Alkohol oder Haschisch verursacht Nikotin keinen Rausch. Beim Zigarettenrauchen konnte ich der Realität nicht entfliehen, Probleme vergessen oder Halluzinationen erleben wie ich sie im Drogenrausch erlebt habe. Nikotin ist eine gefährliche Droge, die sehr schnell süchtig macht. Die Zigarette, der Glücklichmacher fürs Gehirn, ist eines der stärksten Suchtgifte, die es gibt. Nikotin braucht nur sieben Sekunden, um zum Gehirn zu gelangen. Es ist also schneller als die Droge Heroin. Sie benötigt immerhin vierzehn Sekunden. So schnell, wie Nikotin in den Körper gelangt, so schnell wird es auch wieder abgebaut. Dass dieser Raucherentzug dennoch so unangenehm sein würde, hätte ich mir nicht gedacht. Mit dem Alkohol- oder Drogenentzug ist er allerdings trotzdem nicht vergleichbar. Ich habe beim Nikotinentzug keine schweren körperlichen Schmerzen erleiden müssen. Ich hatte keine Kopf- und Gliederschmerzen, keine Muskelkrämpfe oder Schweißausbrüche und musste auch nicht Erbrechen wie ich sie beim Drogenentzug mitgemacht habe. Es war mehr dieses extreme Unruhegefühl, diese Leere in mir, und das Gefühl, dass etwas fehlt. Vor allem wirkte ich ungeduldig und gereizt. Besonders in den ersten Tagen des Nikotinentzugs fiel es mir schwer, nicht zur Zigarette zu greifen. Noch dazu machten mir Schlafstörungen zu schaffen, weil ich dauernd an Zigaretten denken musste. Als ich wieder zum Giftstängel griff, waren alle diese unangenehmen Gefühle verschwunden. Dabei war die körperliche Abhängigkeit weniger schlimm als die psychische. Die körperlichen Entzugserscheinungen sind in wenigen Tagen abgeklungen und ich konnte wieder ruhig schlafen. Aber die psychischen dauerten noch viele Monate.


Der Titel ihres neuen Buches „Mit Genuss zum Nichtraucher“ vereinigt scheinbar Widersprüchliches mit einander – wie kann Verzicht, in diesem Fall auf die Zigarette, von einem Raucher als genussvoll erlebt werden?


Nikotinabhängigkeit ist weiter verbreitet als Alkohol-, Medikamenten- und Drogensucht. Es ist das am weitesten verbreitete und akzeptierte Suchtmittel in unserer Gesellschaft. Neueinsteiger empfinden bei der ersten Zigarette keinen Genuss und keine Entspannung. Die erste Zigarette schmeckt meist grausig. Aber wenn sie dann abhängig geworden sind, merken sie nicht, in welche Suchtfalle sie hinein geraten sind. Es erzeugt weder Genuss noch Entspannung. Hat Sie schon mal ein Kind oder ein Nichtraucher, um besser entspannen und genießen zu können, um eine Zigarette gefragt? Nichtraucher brauchen keine Zigaretten, um sich zu entspannen. Warum Raucher das anders fühlen, ist einfach erklärt: Das beruhigende Gefühl, das ein Raucher beim Rauchen haben kann, ist die Wirkung des Nikotins. Sobald dem Körper kein Nikotin mehr zugeführt wird, setzen sehr rasch Entzugserscheinungen ein, und der Wunsch nach einer Zigarette wird immer stärker. Wird mit der nächsten Zigarette dem Körper wieder Nikotin zugeführt, verschwinden die Entzugserscheinungen und darum wirkt Nikotin auf sie entspannend. Raucher sind Gefangene dieses Suchtmittels. Wenn sich einmal der Nikotingeist im Körper eines Menschen eingenistet hat, wird man ihn nur mehr schwer wieder los. Beobachten sie mal, wie Raucher reagieren, wenn sie keine Zigaretten haben. Sie werden zappelig und ungeduldig und dabei jammern sie vor sich hin. Raucher wirken hier alles andere als entspannt. In Wirklichkeit wird die Konzentrationsfähigkeit durch die Zigaretten ruiniert und ohne Zigarette setzen die Entzugserscheinungen ein. Jeder Raucher fragt sich irgendwann, warum er raucht, aber die meisten versuchen nicht daran zu denken, weil diese Gedanken für sie unangenehm sind. Wer mit dem Rauchen beginnt, ist sich der Gefahren und Risiken oft nicht bewusst. Das Nikotin hat viele Raucher so im Griff, dass ein Ausstieg manchmal fast unmöglich ist. Viele schaffen den Weg zum Nichtraucher ohne Hilfe nur schwer, manche gar nicht und andere wiederum brauchen übermenschliche Willensstärke. Aber für einen erfolgreichen Weg zum raucherfreien Leben muss das Verhalten bewusst geändert und diese Ängste müssen abgebaut werden. Das kann man nur, wenn man bereit ist, Veränderungen zuzulassen. Es geht nicht von heute auf morgen, es braucht Zeit und viel Geduld. Ich kann aufhörwillige Raucher, die sich schwer tun keine mehr anzuzünden, gut verstehen. Sich von etwas zu trennen, an das man sich Jahre oder Jahrzehnte lang gewöhnt hat, ist nicht so einfach. Raucher haben halt mal Angst, dass ihnen etwas genommen wird. Angst, dass bestimmte Situationen ohne die Zigarette nicht mehr so angenehm sein werden. Angst, dass Körper und Geist rebellieren, wenn Nikotinmangel herrscht. Heute bin ich mächtig stolz darauf Nichtraucher zu sein. Ich habe etwas geschafft, was ich nie für möglich gehalten hätte. Es ist ein wunderschönes Gefühl wahrzunehmen, dass das Leben ohne Nikotin einfach angenehmer und genussvoller ist. Diese Verwandlung hat mein Selbstbewusstsein enorm gestärkt. Meine wahren Wünsche erkenne ich viel genauer und nehme bewusster am Leben teil. Ich fühle mich sicherer und selbstbewusster. Spannungen und Konflikte des Alltags kann ich besser bewältigen und bin sogar konzentrationsfähiger geworden.


Wen möchten Sie mit Ihrem Buch erreichen?


Mit diesem Buch möchte ich so viele Raucherinnen und Raucher wie möglich erreichen, damit sie wieder Nichtraucher werden. Vor allem aber möchte ich die Jugend ansprechen, mit dem Rauchen niemals zu beginnen. Wer diesen Erfahrungsbericht in die Hand nimmt und liest, der soll dazu gebracht werden, ohne Angst Nichtraucher zu werden. Mein Ziel ist, Tabakabhängige zum Umdenken bringen und sie davon überzeugen, dass man ohne Nikotin besser und freier leben kann. Ich will Ihnen Mut machen, es selbst einmal zu probieren, mit dem Rauchen aufzuhören, um den wirklichen Genuss des Lebens erfahren zu dürfen. Meine Botschaft wirbt für Gesundheit und Wohlergehen. Der Leser soll hautnah miterleben, was ich in meinen Raucherjahren und in den Jahren nach meiner letzten Zigarette gefühlt und empfunden habe. Mein Anliegen ist, der Nikotinsucht entgegenzuwirken und auf die gesundheitlichen Risiken des Rauchens hinzuweisen. Ich will den Rauchern die Augen öffnen, was auf sie zukommen könnte, wenn sie von ihrer Sucht nicht lassen. Ich bin voll überzeugt, dass ich mit diesem Buch vielen Nikotinsüchtigen helfen kann. Ich möchte mit diesem Beitrag allen Rauchern Hoffnung geben, dass es Möglichkeiten gibt, aus einer jahrelangen Nikotinabhängigkeit wieder in ein zigarettenfreies Leben zurückzufinden. Ich sehe es als meine Pflicht und Aufgabe an, meine Lebenserfahrung weiterzugeben. Die wertvollen Tipps die ich gebe, können jedem Raucher bei der Bewältigung seiner Zigarettensucht sehr hilfreich sein. Erwarten Sie von mir keine Patentrezepte. Das wäre zu einfach. Die Motivation, die eigene Willenskraft und die Arbeit an sich selbst ist immer Voraussetzung, um Veränderungen zuzulassen. Kein Arzt und kein Psychologe können Ihnen helfen, wenn Sie nicht selbst bereit sind sich zu ändern. Seien Sie sich aber immer im Klaren: Das Rauchen haben Sie erlernt und Sie können es wieder verlernen.


Sie engagieren sich seit Jahren in der Suchtprävention und halten Vorträge in Schulen. Welchen Rat geben Sie jungen Menschen mit auf den Weg?


Leider geschieht der Rauchereinstieg oft in einer Jugendgruppe. Viele Jugendliche wollen in der Anfangsphase mit ihrem Rauchverhalten Aufmerksamkeit erwecken, sich in der Clique ein Dazugehörigkeitsgefühl verschaffen, sich stark und erwachsen zeigen. Später haben diese Verhaltensmuster keinen Einfluss mehr, wenn sie bereits nikotinsüchtig geworden sind. Sie greifen dann zur Zigarette, um nicht die unangenehme Seite der Entzugserscheinungen erleben zu müssen. Bei meinen Vorträgen appelliere ich ständig an die Jugend, mit dem Rauchen nie zu beginnen. Ich informiere sie über die Folgen des Rauchens. Aber welcher Jugendliche denkt schon nach, was in 20 oder 30 Jahren mit seinem Körper passiert? In den Vorträgen versuche ich immer glaubwürdig zu bleiben und nicht zu übertreiben. Ich versuche den Jugendlichen klar zu machen, dass Rauchen kein Zeichen von Freiheit, sondern von Abhängigkeit ist. Der Großteil der rauchenden Jugendlichen unterschätzt viel zu häufig die süchtig machende Wirkung des Nikotins.

 
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